17. Mai 2016
Fleischbeschau im Personalmarketing
Lesezeit: 4 Min. Employer BrandingPersonalmarketingStellenanzeigen
Da schrieb ich doch vor gar nicht allzu langer Zeit war eine Biene sehr bekannt darüber, dass unser Justizminister Sex in der Werbung abschaffen will (was, oh Wunder, gar nicht auf so große Begeisterung bei den Werbetreibenden stößt), und dann das. Eine Fleischerei aus dem beschaulichen Schwabenländle sorgt mit Fleischbeschau für bundesweite Aufregung. Grund auch für mich, sich des Themas aus Personalmarketing-Sicht noch mal anzunehmen und für Klarheit zu sorgen.
Was genau ist da passiert? Auf Focus online und Handelsblatt, bei Bloggerkollegen und anderswo im Social Web sorgt die “Stellenanzeige” einer Fleischerei für bundesweite Empörung. Und das nur, weil der wunderbare Beruf des Fleischerei-Verkäufers respektive der Fleischerei-Verkäuferin mit Fleisch beworben mit. Mit nacktem, wohl gemerkt. Und nicht wirklich im Kontext stehend. Aber so ist das ja in der Regel mit diesen Aufregern. Die stehen ja selten im Kontext. Weil wenn, dann würden sie ja nicht für Aufregung sorgen. Ich sage nur dicke Hupen, lange Schläuche. Oder feuchte Stelle. Langer Rede, kurzer Sinn – das ist der Stein des Anstoßes und wahrscheinlich ein würdiger Gewinner der Goldenen Runkelrübe 2016, wenn sie denn dieses Jahr verliehen wird. Aber das ist ein anderes Thema.
Mit dieser Anzeige geht die Spezialitäten-Metzgerei auf Nachwuchs-Suche. Ist das nun schlimm, peinlich oder nur dumm? Oder gar vielleicht sogar extrem erfolgversprechend? Nun, wie sagt es der Jurist so schön? Und das ist eins der ganz wenigen Zitate, die mir aus meinem Studium in Erinnerung geblieben sind: Es kommt drauf an. Nämlich, was man mit einer solchen Anzeige bezweckt.
Bundesweite Aufmerksamkeit
Eins hat das Fleischer-Fachgeschäft aus Lauffen am Neckar definitiv geschafft. Aufmerksamkeit erreicht. Einen bundesweiten Fleisches-Rausch angezettelt. Focus, Handelsblatt, RTL, Sat1 und andere mehr oder weniger hochrangige Medien berichteten darüber. Wo andere viel Geld für Werbung ausgeben, gab es die hier quasi umsonst. Maximal für den Preis zweifelhaften Ruhms und ebensolcher Ehre. Und das alles nur wegen eines Bikin-Mädchens, das für eine Stelle als Fleischereifachverkäuferin wirbt.
Ah ja, richtig. Darum ging es ja. Denn der Aufreger ist ja eine Stellenanzeige. Kann man sich also die Frage stellen, warum man zu solch fragwürdigen Personalmarketing-Methoden greift. Nun ganz einfach:
Bestimmt zwei Jahre lang sucht der Handwerksbetrieb schon nach Leuten. Immer mal wieder fanden sich auch Interessenten – doch die warfen nach einigen Wochen wieder hin oder waren ständig krank. Im Handwerk muss man halt einfach körperlich arbeiten. Die meisten schrecke ab, dass man dabei schmutzig wird, wird Frau Kopf im Artikel des Handelsblatt zitiert. Und weiter: “Der Beruf ist sehr abwechslungsreich. Man hat jeden Tag andere Kunden und die erzählen einem immer was Neues.”
Okay, ich fasse zusammen: Man muss körperlich hart arbeiten. Man wird bei dem Job schmutzig. Klar, so Fleisch ist eine blutige Angelegenheit. Werfen wir doch in diesem Kontext einmal einen Blick auf die Anzeige:
Freude, Begeisterung, Engagement
Wenn Sie diese Voraussetzungen mitbringen, freuen wir uns auf Ihre Bewerbung als Fleischerei-Fachverkäuferin. Denn bei uns tun Sie das, was Sie begeistert. Unseren Kunden das verkaufen, was Sie lieben – Beste Metzger-Qualität.
Im Bikini? Wo steht da irgendwo was davon zu lesen, dass man körperlich arbeitet? Dass man schmutzig wird? Und dann noch das Bild. Mal ehrlich, so funktioniert das nicht. Und irgendwie ist das auch nicht zu Ende gedacht. Fangen wir an beim Bildmotiv. Wer wird ganz klar adressiert, wer diskriminiert? Genau, das vermeintlich starke Geschlecht schaut in die Röhre. Zumindest bildtechnisch ist das Ganze ein klarer Verstoß gegen das AGG! Daher Vorschlag Nr. 1: Gleichberechtigung bei der Bildauswahl!
Übrigens, wer erwartet hat, dass der lustige QR-Code oben rechts auf einen Instagram-Account verweist, der irrt. Der führt auf die – natürlich nicht mobil optimierte – Website des Unternehmens. Und natürlich findet man dann auf der Website auch keine Infos zur Stelle geschweige denn zum Berufsbild. Auch nicht unter News. Da finden Sie dann das hier oder aber Pressemitteilungen über den vermeintlichen Coup.
Schade, da wird Potenzial verschenkt. Wäre doch prima, wenn man mehr Infos zu dem Job oder zum Arbeitgeber finden würde und sich ein Bild machen könnte. Die entsprechenden Infos könnten dann dazu beitragen, dass man nur die Bewerber erreicht, die sich dessen bewusst sind, was sie erwartet. Zum Beispiel, dass man sich da schmutzig macht und einem der Job auch körperlich einiges abverlangt. Zum Trost sei gesagt: Da geht es dem Fleischereifachbetrieb so, wie vielen anderen Unternehmen da draußen auch.
Aber wo wir gerade bei Instagram waren: Wie wäre es – Vorschlag Nr. 2 – mit einem Bikini-Contest auf Instagram? Bewerberinnen laden Ihre Fotos bei Instagram hoch, die User entscheiden dann. #fleischbeschau #bikinimaedel #fleischereikopf #sexyfleischfachverkaeuferin
Da finden sich dann wahrscheinlich Bilder wie diese ….
Nicht so schön, wohl aber eher der Realität entsprechend.
Aber noch mal zurück zum Erfolg der Anzeige. Außer der fragwürdigen Berühmtheit gab es tatsächlich sogar zwei (!) Bewerberinnen. Im Bikini erschienen die aber nicht. Wobei eine dann ohnehin nicht erschien. Vielleicht war es ihr aber auch zu peinlich, dort im Bikini zu erscheinen. Wer weiß das schon…
Da lobe ich mir doch die Metzgerei Leinhos hier bei mir um die Ecke. Aufmerksamkeitsstark (im Verhältnis zu den Angeboten für das kleine und große Wurstpaket) suchen die auch eine Fleischerverkäuferin. In Teilzeit. Außen an den Fensterscheiben prangt das “informative” Plakat.
Ich bin gespannt, wer von beiden zuerst die Stelle besetzen wird. Vielleicht sollten die es mal mit Mitarbeiterempfehlungsprogrammen probieren? ;-)
Blogschau 20/2016 | Robert Zentner
Anja Assert