Ein wacher Verstand weiß selbigen einzusetzen. Neues Stellenanzeigen-Konzept der Deutschen Bank

Lesezeit: 6 Min. Employer BrandingRecruitingStellenanzeigen

Manchmal ist es gar nicht so einfach, sich für ein neues Thema für einen Blogartikel zu entscheiden. Ich könnte bspw. über den ordentlich nach hinten losgegangen Azubi Rap der Sparda-Bank Südwest schreiben. Das haben aber schon andere getan. Außerdem tun mir die Sparda Movie Stars wirklich und ernsthaft leid, dass sie die Schelte aushalten müssen, die im Zweifelsfall die Unternehmenskommunikation zu verantworten hat (ganz unter uns, ich finde den Ansatz schon recht charmant, auch da man da auf echte Charaktere und keine Models gesetzt hat. Und auch wenn das Ganze sehr hölzern rüber kommt, sympathisch finde ich die Aktricen allemal. Dass man sich dann dazu entschieden hat, das Video komplett zu löschen und sich das alles so zu Herzen nimmt, finde ich schade und unprofessionell. Manchmal muss man einfach ein dickes Fell haben und sich nicht dem Lärm da draußen beugen. Bestes Beispiel ist da BMW mit seinem Rap-Video. Hat es dem Image von BMW geschadet? Sind weniger Bewerber zu BMW gekommen? Wohl kaum. Wie ich gerade sehe, häufen sich auch die positiven Stimmen und viel Anerkennung im Blog. Gut so!).

Aber ich schweife ab. Kommen wir also zum eigentlichen Thema: dem neuen Online-Stellenanzeigenkonzept der Deutschen Bank.

Die Deutsche Bank also. Das ist das Geldinstitut, dessen ehemaliger Vorstandschef durchaus synonym für Geldgier und Skrupellosigkeit steht. Auch ist der Bankensektor ja eher sehr kritisch zu sehen, ist er doch letztendlich der Auslöser der Euro- bzw. Bankenkrise. Und trotzdem wird kräftig weiter gezockt. Ganz vorne dabei große Geldhäuser wie die Deutsche Bank, die mit Spekulationen auf Nahrungsmittel noch dafür sorgen, dass diejenigen, die ohnehin nichts mehr haben, nun auch ihre Lebensmittel nicht mehr bezahlen können. Nun denn, das soll hier nicht Inhalt dieses Blogbeitrags sein. Trotz alledem gibt es ja durchaus den einen oder anderen, der bei so einem Arbeitgeber tätig werden will. Klar, lassen sich dort im Zweifelsfall doch millionenschwere Boni abgreifen ;-). Insofern ist es da nur logisch und liegt auf der Hand, dass Deutschlands größtes Geldinstitut auf die Suche nach (nicht nur) solchem Nachwuchs geht.

Personalmarketing mit neuem Online Stellenanzeigenkonzept

Mit sechs verschiedenen Anzeigenmotiven und -sprüchen versucht die Bank, den hoffnungsfrohen Nachwuchs für sich zu gewinnen. Kostproben gefällig?

“Manche halten unsere Arbeit für oberflächlich – Ein wacher Verstand taucht tiefer ein” heißt es dann da bspw. in einer Stellenanzeige für das Traineeprogramm Risk (!). Oder “Manche halten uns für abgehoben – Ein wacher Verstand nutzt beste Aussichten” in einer Anzeige für das Traineeprogramm für Bachelorabsolventen (mit dem schnell zu erfassenden und greifbaren Titel “Explore PBC Center Program” – nein, PBC steht weder für Partei Bibeltreuer Christen (die gibt’s wirklich!) oder für Primär biliäre Zirrhose (eine Autoimmunerkrankung der Leber), sondern für “Private & Business Clients”. Dieses wiederum, lieber Leser, heißt nichts anderes als Privat- und Geschäftskunden. Ich liebe diese worthülsenträchtigen Anglizismen…). Mein absoluter Favorit, der jeden, der von der Bankenkrise betroffen ist, mit Hohn und Spott straft, ist folgender: “Sollte man gerade jetzt eine Bankkarriere starten? – Ein wacher Verstand weiß, dass es keinen besseren Zeitpunkt gibt”.

Neues Online-Stellenanzeigenkonzept der Deutschen Bank. Ein wacher Verstand sieht mehr. Oder auch nicht.

Ein wacher Verstand weiß vor allem, dass er selbigen vorher einschaltet, wenn es um das Kreieren solch markiger (und dennoch inhaltsleerer) Claims geht. Aber ich will mich gar nicht lange an den Texten aufhalten (auch zu den Bildmotiven will ich mich gar nicht äußern, lassen Sie sie einfach auf sich wirken). Denn die machen ja noch nicht das Konzept aus. Vielmehr erfolgte hier mal wieder ein Versuch einer interaktiven Stellenanzeige. Meine Meinung dazu hatte ich ja schon verschiedentlich kommuniziert. Die Deutsche Bank geht allerdings einen etwas anderen Weg, als Jobware oder Stepstone. Bevor ich mich dazu äußere, hier noch ein paar Fakten vorab.

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an die Studie zu Online-Stellenanzeigen, die das Portal stellenanzeigen.de letztes Jahr veröffentlicht hatte. Wenn nicht, hier lassen sich die wesentlichen Aspekte noch mal nachlesen. In allererster Linie kommt es Bewerbern neben der Auffindbarkeit vor allem auf Glaubwürdigkeit, verständliche und leicht zu erfassende Aufgaben- und Anforderungsprofile sowie einen Jobtitel an, der aussagt, worum es konkret und klipp und klar in der Stelle geht (also weder irgendwelche Allgemeinplätze, Wischi-Waschi-Bezeichnungen, noch Anglizismen, die aus dem Hausmeister einen Facility Manager machen).

Ein wacher Verstand weiß selbigen einzusetzen. Neues Stellenanzeigen-Konzept der Deutschen Bank 1 bedeutung und beurteilung von online stellenanzeigen1

Wie man der Grafik wunderbar entnehmen kann, spielen weder Multimedialität noch Interaktivität eine nennenswerte Rolle. Warum versucht man also immer wieder, mit vermeintlich bahnbrechenden Neuerungen in Sachen Stellenanzeigen zu punkten, wenn es keine Sau interessiert (interessanterweise finden Personaler diese Aspekte wesentlich wichtiger als Bewerber selbst).

Interaktivität und Multimedialität sind Bewerbern egal

Nun könnte man sagen, okay, da ist eine solche Studie, wie relevant ist denn das? Und dann noch von einem Stellenportal. Guter Punkt, schauen wir mal, was es noch so gibt. Schnell wird man fündig und findet einen weiteren Beleg, nämlich eine Studie von mediaintown (in Kooperation u. a. mit Monster):

Inhaltliche und gestalterische Kriterien einer Online-Stellenanzeige. Quelle: mediaintown

Abgesehen davon benötigt es eigentlich gar nicht solcher Studien, sondern es reicht ein “wacher Verstand“. Denn mal Hand aufs Herz. Wenn Sie selbst eine Stellenanzeige betrachten – ist es da nicht viel wichtiger, alle Informationen auf einen Blick erfassen zu können, als diese erst durch diverse Klicks zu erfahren? Insofern überrascht es auch nicht, wenn laut mediaintown-Studie 82 % der Befragten meinen, schnell erfassbare Informationen seien das A & O einer Stellenanzeige.

Der Einsatz von Grafiken oder gar eine Anzeige mit animierten Elementen spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Und was sagt uns das für die Anzeige der Deutschen Bank? Hätte man hier den (vermeintlich wachen) Verstand früher eingesetzt, so hätte man sich viel Geld für Konzeption und Programmierung sparen können und besser Altbewährtes optimiert. So muss ein Bewerber also erst auf jeden einzelnen Menüpunkt klicken, um zu erfahren, was denn eigentlich die konkrete Aufgabe ist oder was das Anforderungsprofil umfasst. Oder gar um zu erfahren, dass der Einsatzort bspw. in Frankfurt ist. Eine nutzerorientierte Darstellung geht definitiv anders.

Online-Stellenanzeige der Deutschen Bank - ein wacher Verstand muss erstmal alle Menüpunkte anklicken um mehr zu sehen

Wenn es denn schon interaktiv sein muss – warum fasst man sich dann nicht kurz und verlinkt auf die entsprechende Unterseite der Karriere-Website? Warum präsentiert man dem Bewerber stattdessen übermäßige Textwüsten? Warum verschenkt man Platz für inhaltsleere Bilder (verraten Sie mir doch mal, wie bzw. wo ich bspw. in diesen Anzeigen die so genannte Employer Brand wiederfinde. Und kommen Sie mir nicht mit dem Claim “Ein wacher Verstand…” oder “Leistung aus Leidenschaft”).

Die Frage jaleckmichamarschwassollderscheißeigentlich? ist an dieser Stelle also durchaus erlaubt.

Eins muss man der Fairness halber sagen: Die Jobbörse der Deutschen Bank selber ist allererste Sahne, was die Funktionalität angeht. So gibt es umfangreiche Filter, die unmittelbar anzeigen, in welchem Bereich es offene Stellen gibt. Auch gibt es für jeden einzelnen Bereich, bspw. Absolventen, eine eindeutige URL, so dass sich auch aus der Website unmittelbar auf die für die jeweiligen Zielgruppen relevanten Jobs verlinken lässt. Klasse. Hier können andere viel von lernen.

Leider wird der ganze gut gemeinte Personalmarketing-Ansatz aber nicht nur durch das neue Anzeigenkonzept, sondern vor allem durch den sich anschließenden Bewerbungsprozess zunichte gemacht. Klickt man nämlich auf “Jetzt bewerben”, so landet man auf einer Online-Maske, die man vor Schreck am liebsten gleich wieder verlassen möchte bzw. die mal wieder anschaulich zeigt, wie ein Online-Formular eben nicht auszusehen hat. Denken wir da noch einen Schritt weiter, nämlich dass der nächste Arbeitgeber nur einen Klick entfernt lauert, so kann dies unter Umständen sogar den Verlust potenzieller Bewerber bedeuten. Es sei denn, diese wollten in die Fußstapfen eines Ackermanns treten… :-D

Kommentare (9)

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Ina Ferber

Lieber Henner, gute handwerkliche Qualität ist selbstverständlich Voraussetzung. Egal welches Anzeigenformat - die relevanten Informationen müssen auf einen Blick erkennbar sein. Da stimme ich Dir absolut zu. Liebe Grüße Ina

personalmarketing2null

Liebe Ina, besten Dank fürs Feedback und die Ergänzungen. Das ist halt generell die CRUX mit eigentlich fast allen Studien/Umfragen. Aber in diesem Falle ist es doch eigentlich ganz einfach, das zu überprüfen. Einfach mal in die Rolle des Bewerbers und kritischen Beobachters schlüpfen. Dass die Informationen auf einen Blick zu erfassen sind, ist doch erst mal das Wesentliche, oder? Und das kann ich eben nicht bei welchen auch immer gearteten Job_Ad2.0s, Stellenanzeigen Plus oder auch bei dem neuen Format der Deutschen Bank. Meine Meinung :-) (und mit der stehe ich nicht alleine). Liebe Grüße zurück, Henner

Ina Ferber

Spannendes Thema, vielen Dank für diesen Artikel! Zur Interpretation der beiden Studien (von stellenanzeigen.de und mediaintown) möchte ich etwas hinzufügen. An der Durchführung der Studien war ich zwar nicht beteiligt, aber nach meiner Information wurden (potentielle) Bewerberinnen und Bewerber befragt. Es wurde nicht direkt das Online-Verhalten gemessen. Es könnte also sein, dass Kandidatinnen und Kandidaten zwar SAGEN, dass es ihnen primär auf gut strukturierten Inhalt ankommt und sich dann trotzdem von Bildern und Interaktivität verführen lassen. Hoffentlich gibt es bald eine Studie, die das Verhalten der Anzeigenbesucher direkt erhebt. Liebe Grüße Ina Ferber

personalmarketing2null

Liebe Nina, vielen Dank für dein Statement. Schön, dass du es noch einmal klargestellt hast. Ich stimme dir in diesem Fall 100%ig zu. Grüße zurück, Henner

Nina Kalmeyer

Lieber Henner, Du hast bei 'Sparda Movie Stars, die die Schelte aushalten müssen' direkt auf meinen Artikel verlinkt - deshalb hier nochmals kurz die Klarstellung: ich habe NICHT die Azubis gescholten, sondern diejenigen, die für die Azubis verantwortlich sind. Für mich ist es bei der Sparda auch kein PR-Gau,wie es meist beschrieben wird, sondern ein Personalmarketing- bzw. Employer Branding-Gau und wiederum ein Beispiel, dass Unternehmenskommunikation und Personal viel zu wenig oder gar nicht miteinander kommunizieren bzw. zusammenarbeiten. Ansonsten, wie immer, ein sehr aufschlußreicher, interessanter Artikel! Beste Grüsse, Nina
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Moin! Ich bin Henner Knabenreich. Seit 2010 schreibe ich hier über Personalmarketing, Recruiting und Employer Branding. Stets mit einem Augenzwinkern oder den Finger in die Wunde legend. Auf die Recruiting- und Bewerberwelt nehme ich auch als Autor, als Personalmarketing-Coach, als Initiator von Events wie der HR-NIGHT oder als Speaker maßgeblich Einfluss auf die HR-Welt. Sie möchten mich für einen erfrischenden Vortrag buchen, haben Interesse an einem Karriere-Website-Coaching, suchen einen Partner oder Berater für die Umsetzung Ihrer Karriere-Website oder wollen mit bewerberzentrierten Stellenanzeigen punkten? Ob per E-Mail, XING oder LinkedIn - sprechen Sie mich an, ich freue mich auf Sie!
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