23. August 2010
Personalmarketing und Employer Branding in Social Media – an der Zielgruppe vorbei?
Lesezeit: 7 Min. AusbildungsmarketingSocial Media
Momentan vergeht ja kaum eine Woche, an dem nicht eine neue Karriere-Fanpage oder ein HR-Twitter-Account an den Start geht und stolz wird über den täglichen Zuwachs an Fans und Followern berichtet. Mit 4551 Fans hat die BeLufthansa Fanpage derzeit die meisten Fans einer deutschsprachigen Recruiting-Fanpage, RosenRTRC mit 22 Fans die wenigsten (wobei mit der Strategie, die hier an den Tag gelegt wird, kein Hund hinter dem Ofen hervorzulocken ist. Wenn man denn von Strategie sprechen kann – aber das ist ein anderes Thema :-) ). Ist das nun Grund zum Jubeln? Weltkonzerne wie Bertelsmann (2349 Fans), Bayer (1352) und BASF (700) mit mehreren Tausend Mitarbeitern verzeichnen in Summe nicht mal 5000 Fans. Allein die Karriere-Fanpage von Ernst & Young verzeichnet mit 49.600 Fans ein Vielfaches davon, die Recruiting-Fanpage der US Marines sogar 479.600 Fans. Also alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Budgets, die quasi aus dem Fenster geworfen werden, nur um bei Social Media mit dabei zu sein, weil es alle machen? In Summe verzeichnen Karriere-Fanpages deutscher Unternehmen rund 45.000 Fans (davon sind dann noch einmal die Mitarbeiter und Personaler, die schauen, was auf anderen Karriere-Fanpages so geht, runterzurechnen.). Das sind mal gerade rund 0,43 % der deutschen Facebook-User! Mehr nicht? Vor diesem Hintergrund überraschen die Ergebnisse der neuesten Kienbaum Communications Studie dann nicht wirklich… Hiernach ist nur ein geringer Teil im einstelligen Prozentbereich bereits Fan einer Arbeitgeber-Fanpage auf Facebook bzw. nutzt Social Media zur Jobsuche.
Aber ist das so überraschend? Auf den ersten Blick ja, denn verfolgt man die Meldungen der üblichen Verdächtigen, könnte man den Eindruck haben, dass Social Media für Employer Branding und Personalmarketing schon eine ganz große Nummer ist. Aber schaut man genauer hin, stellt man schnell fest, dass hier doch eigentlich immer die Gleichen zu Wort kommen (Robindro Ullah prägte sogar mal den Begriff der “Suppentheorie”). Längst hat sich dazu in Fachkreisen auch der Begriff “der ewige Bernd” etabliert und schaut man sich die Referenten diverser Social Media und Personalmarketing-Konferenzen, Workshops und Seminare gleich welchen Veranstalters an, so stößt man in den meisten Fällen auf die gleichen Referenten. Wobei die nun auch nichts Neues zu berichten haben. Also alles doch nur ein von bestimmten Kreisen gepushter Hype und eine schöngefärbte Luftblase, in der sich ein Kreis von Insidern tummelt? Eine Wohltat ist es dann doch, mal ein neues Gesicht als Referent zu sichten, was einem dann die Hoffnung gibt, dass es eben doch nicht nur die “ewigen Bernds” gibt und beispielsweise auch Unternehmen aus dem Mittelstand von Erfolgsstorys zu berichten haben.
Hm, aber wenn es diese doch gibt, was ist dann der Grund dafür, dass so wenig User Facebook, Twitter & Co. als Tool nutzen, um potenzielle Arbeitgeber kennen zu lernen? Gut, warum Twitter nur ein Nebenschauplatz ist, wird schnell klar. Twitter ist in erster Linie ein Nachrichtentool, nicht mehr und nicht weniger. Und wird in Deutschland aktiv nicht einmal von 300.000 Usern genutzt. Und dies in erster Linie zu Businesszwecken. Blieben also noch die 10,9 Millionen Facebook-User. Was hatte ich gerechnet? Nicht mal 0,5 % der Facebook-User sind Fans von Arbeitgeber-Fanpages? Wow, da ist noch jede Menge Luft nach oben. Aber warum sind eigentlich so wenig User bereit, sich als Fan einer Karriere-Fanpage zu outen? Laut der Kienbaum Studie unter anderem deswegen, weil die Angst besteht, dass dann das Unternehmen Einblick in das Privatprofil des Fans nehmen kann. Und deswegen, weil man dann ja auch sehen kann, dass Fan der Fanpage XY auch Fan der Fanpage YZ ist. Abwegig? Keineswegs. Insbesondere der erste Punkt ist es nicht, wie ich aus Gesprächen mit der Zielgruppe berichten kann. Für unsereins, die sich tagtäglich mit Social Media und Facebook auseinandersetzen ist das kaum vorstellbar, aber es gibt Nutzer, die denken tatsächlich, dass sie, wenn sie Fan einer Page werden, ihr User-Profil offen legen. Und aus diesem Grund dann lieber doch nicht Fan werden (das sind im Übrigen oftmals die, die sich keine Gedanken darüber machen, welche Daten Apple und Google eigentlich über sie sammeln).
Mit Sicherheit wird dies durch die negative Meinungsmache in den Medien verstärkt, die Google und Facebook als böse Datenkraken darstellen und vom Karrierekiller Internet sprechen. Aufklärung ist alles, daher hier nun noch mal der ultimative Facebook-Privatsphäre-Guide der Süddeutschen Zeitung, der haarklein und in einzelnen Screenshots darstellt, welche Einstellungen zu wählen sind, damit nicht jeder Hans und Franz die eigenen Profildaten einsehen kann.
Und für alle, die glauben, dass das Unternehmen als Fanpage-Betreiber Einblick in die Privatprofile hat: Nein, keine Sorge, hat es nicht! Ihr dürft also ohne Bedenken Fan eurer Lieblings-Karriere-Fanpage werden.
Laut Spiegel online hat “die zur “Netzgeneration” verklärte Jugend in Wahrheit vom Internet wenig Ahnung”.
Also sind jetzt alle Maßnahmen in Sachen Personalmarketing und Employer Branding in Social Media für die Katz und an der Zielgruppe vorbei? Im Gegenteil! Hier schlummern noch viele Potenziale, die es zu nutzen gilt. Es gibt neben den großen, schon genannten, Global Playern, immer mehr Unternehmen, vor allem aus dem Mittelstand wie z. B. die SNT AG, die Work Performance GmbH (der es über Facebook gelungen ist, sich bei über 1100 Fans als interessanter Arbeitgeber zu präsentieren – wir erinnern uns, BASF mit mehr als 100.000 Mitabeitern weltweit hat 700 Fans!) oder aber auch intech, um nur einige zu nennen, die Social Media als weiteren Personalmarketing-Kanal entdecken. Und wie oben beschrieben, es ist noch viel Luft nach oben und über kurz oder lang wird auch Verständnis für das Handling der Privatsphäre-Einstellungen unter Facebook-Usern wachsen und Facebook als weiterer Kanal für Arbeitgeberinformationen wahrgenommen werden.
Das geschieht zum Beispiel durch das Schalten von Facebook Ads, eine Facebook-Fanpage sollte aber sinnvollerweise auch auf der Karriere-Website und in sämtlichen anderen Materialien (Broschüren, Visitenkarten, Messestände, Stellenanzeigen etc.) kommuniziert werden. Auch die Ansprache von Azubis erfolgt mittlerweile direkt über Facebook. Wobei Andreas Diehl, Macher von azubister seine eigene Theorie zu dem Thema hat:
Gerade die junge Zielgruppe trennt strikt zwischen Netzwerken mit privatem Charakter und Plattformen, deren Nutzung in einem „beruflichen“ Kontext stehen”, so Diehl. “Nutzer tragen in ihren Profilen auf azubister kaum private Daten ein und nutzen die zur Verfügung gestellten Features ausschließlich für den Kontext Ausbildung. […] Unternehmen sollten dieses nicht ungewöhnliches Nutzungsverhalten bei der Auswahl der Kanäle berücksichtigen. Unternehmen die gefunden werden, die Kontakte aufbauen und pflegen können, haben gute Chancen, dass eine Social Recruiting Strategie langfristig erfolgreich ist.
Dass Social Media aber sehr wohl eine Rolle in Sachen Employer Branding spielt, untermauert auch die im Frühjahr unter rund 400 Teilnehmern (überwiegend Studierende) durchgeführte Studie von squeaker.net, talential und Oscar, hier noch einmal die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Facebook wird zum Business-Netzwerk (wenn es wohl auch etwas länger dauert, der Trend ist zu erkennen)
- Social Networks werden für Arbeitgeberinformationen genutzt
- Social Media ist ein Prozess – kein Event. Recruitingmessen, Anzeigen usw. sind weiterhin wichtig. Aber den langfristigen Dialog mit der Zielgruppe führt man am besten über Social Media Netzwerke.
- Studenten suchen vor allem Insider-Informationen in Social Networks.
- Studenten finden es unangebracht, dass Arbeitgeber sich über ihr Privatleben über Social Networks informieren und sind daher zurückhaltend, wenn sie auf Social Networks Beiträge schreiben.
- Nicht jede Unternehmensmarke passt zu jedem Social Network. Nicht jeder „muss“ bei Facebook dabei sein
- Unternehmen sollten sich der Diskussion stellen. Kritische Beiträge sollten nicht gelöscht werden, solange sie nicht unter die Gürtellinie gehen. Die Diskussion findet sowieso statt, ob auf der eigenen Präsenz bei Social Networks oder ausserhalb.
Letztendlich befinden wir uns alle – ob wir es nun wahrhaben wollen, oder nicht – noch in einem Lernprozess. Aber genau so, wie es damals Vorbehalte und Ängste gegenüber dem Internet gab (und immer noch gibt!), gibt es die auch bei Social Media. Trotz der mehr als 10 Millionen Facebook-User in Deutschland. Wie heißt es so schön? Mühselig ernährt sich das Eichhörnchen :-) Es bleibt spannend – wir sollten also die Chance nutzen und der Zielgruppe zuhören. Dann werden wir sie auch mit unseren Botschaften in Social Media erreichen.
Neues aus der Welt der Karriere-Fanpages und über ein gratis! Social Media Konzept « personalmarketing2null – personalmarketing | employer branding |social media – kritisch hinterfragt
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Social Media Jahresrückblick 2010 aus HR-Sicht – Teil2 von Juli bis Dezember - Human Resource-Blog
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Juliane Uhl